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Man erinnert sich: In den Medien wurde im Winter 2013 immer mal wieder über einen Waldrapp berichtet. Auf dem Weg ins Winterquartier im Mittelmeergebiet hatte das Tier den Anschluss an seine Gefährten verloren und kämpfte sich am Zugersee allein durch den Winter nur in Gesellschaft von Kormoranen, Graugänsen und Rabenkrähen.

Die Waldrapp-Dame wurde immer mal wieder gesichtet, doch alle Einfangversuche scheiterten. Mit der Zeit hatte sie sogar einen Namen bekommen „Shorty“. Erst im Frühling liess sie sich einfangen und konnte danach wieder in seine Heimat nach Burghausen in Bayern gebracht werden.

 

Waldrapp (Foto: P. Gantenbein, 2013)

Nun was ist denn das eigentlich für ein Vogel? Aus den Berichten über Shorty lässt sich ableiten: Waldrappen sind einerseits Zugvögel, doch aufgrund der Aufmerksamkeit die Shorty bekommen hatte, kann es sich aber nicht um einen „gewöhnlichen“ Zugvogel handeln, wie man ihn hier bei uns sonst antrifft. In Tat und Wahrheit ist Waldrappe aber keine exotische Vögel, sondern waren bei uns einst sogar heimisch. Etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts verschwand der Waldrapp aus Europa, ganz einfach weil er zu stark bejagt wurde.

 

Aussehen

Der Waldrapp ist etwa so gross wie eine Gans. Er ist ein Schreitvogel und gehört in die Familie der Ibisse. Allerdings fehlt ihm die Eleganz des Ibisses. Andreas Weber schrieb vor einigen Jahren in einem Artikel im Geo-Magazin (1): „Das Flügeltier wirkt so als wäre der liebe Gott nach dem Erschaffen von 25 perfekten Ibis-Variationen bei der sechsundzwanzigsten mit seinen Gedanken schon bei den Geiern gewesen“.

Der zoologische Name des Waldrapps lautet „Geronticus eremita“. Das tönt schon fast ein bisschen wie „Greisenhafter Einsiedler“ und wenn man ihn ansieht, scheint der Name ziemlich passend. Mit seinem kahlen, roten Kopf hätte  er wohl nicht viele Chancen einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen und doch vermag der merkwürdige Vogel, die Herzen vieler Menschen zu erobern.  Charakteristisch ist neben dem langen, roten Schnabel auch sein Schopf am Hinterkopf.

Waldrapp (Foto: P. Gantenbein, 2013)

Mensch und Waldrapp, einst ...

Mit ihrem langen Schnabel stochern Waldrappe wurzelfressende Larven aus dem Boden und verschmähen auch Schnecken nicht. Dabei rühren sie Pflanzen aber nicht an. Diesen Umstand nutzten einst die Bauern. Sie hielten die leicht zu zähmenden Tiere in ihren Küchengärten. So blieben die Gärten frei von Schädlingen und der Salat wurde nicht angeknabbert.
Sein schilderndes, schwarzen Gefieder verhalf dem Waldrapp in verschiedenen Kulturen zu einer speziellen Verehrung.

Zum Beispiel galt der Waldrapp im alten Ägypten als Verkörperung des menschlichen Geistes und als Lichtbringer. Sein Name war „Ach“ und die Ägypter glaubten, dass der Mensch nach seinem Tode als vergöttlichter „Ach“ in den Himmel auffahren werde und dort zu einem Stern werde. Der Waldrapp findet sich sogar als Zeichen in der Hieroglyphenschrift (Gardiner-Zeichen G25)

Im Islam gilt der Waldrapp als Glücksbringer. Er soll seinerzeit Noah nach der Sintflut den Weg herunter vom Berg Ararat in die fruchtbare Gegend des Euphrats gezeigt haben. Später galt der Aufbruch der Vögel nach Süden als Zeichen, ebenfalls aufzubrechen zur Pilgerreise nach Mekka.

In Europa galt der Vogel vor allem als Delikatesse und mit zunehmender Seltenheit, stieg sein Wert als auch Trophäe. Es wurden Nester geplündert und Tiere aus Zoos gestohlen um sie auszustopfen und als Präparate an naturkundliche Sammlungen zu verkaufen. Nach seiner Ausrottung in Europa verschwand der Waldrapp auch sehr schnell aus dem Gedächtnis der Menschen. Schon bald hielt man Darstellungen von Waldrappen für schlecht gezeichnete Alpenkrähen oder sogar für Phantasietiere.

Waldrappen Päärchen (Foto: P. Gantenbein, 2015)

... und heute: Wiederansiedelungs Projekte

Heute wird in verschiedenen Ländern Europas versucht, den Waldrapp wieder als Brutvogel anzusiedeln. In den Jahren 2004 und 2005 sind erstmals nach 350 Jahren wieder Waldrappe aus ihrem Brutgebiet nördlich der Alpen in ihr Winterquartier „WWF-Oasi della Laguna di Orbetello„ im Mittelmeerraum geflogen, begleitet von einem Auswilderungsteam in Leichtflugzeugen. Die Zugroute führt östlich an den Alpen vorbei, da der direkte Weg sowohl für die Vögel wie auch die Leichtflugzeuge zu problematisch ist. Inzwischen gibt es auch schon wieder Tiere, die den Weg ohne Hilfe schaffen. Weitere Auswilderungsprogramme laufen auch in Spanien und in Marokko.

Es wäre den seltsamen Vögeln und auch uns Menschen zu gönnen, wenn diese Projekte Erfolg haben.

Text:
R. Gantenbein

Fotos:
P. Gantenbein