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Ich bin Mike und ein waschechter Zürcher Spatz und ich liebe es zusammen mit meinen Freunden und mit bis zu 60 km/h um die Häuser zu ziehen und hier und da ein Häppchen zu picken.

Haussperling (Foto: P. Gantenbein, 2016)

Spatz ist eigentlich mein Übername, richtig heisse ich ja Haussperling oder etwas langweilig, dafür aber zoologisch „Passer domesticus“. In Sperling oder auch dem englischen Sparrow steckt das althochdeutsche Wort „Sparo“, was soviel wie „Zappeln“ bedeutet. „ling“ ist dann einfach noch die Verkleinerungsform. Das passt ganz gut zu mir denn wir Spatzen sind sehr quirlige, muntere Vögel.

Die Beschimpfung „Spatzenhirn“ tut mir ziemlich weh, das passt höchstens zu diesem kleinen Piratenkapitän hier, der sich im Film „Pirates of Caribean“ als Jack Sparrow mit meinem Namen schmückt.

Ich bin keineswegs dumm, im Gegenteil ich bin sehr praktisch veranlagt, anpassungsfähig und auch sehr lernfähig. Zum Beispiel weiss ich genau, wie ich es schaffe durch automatische Schiebetüren in ein Einkaufszentrum und zu den Delikatessen zu gelangen oder ich weiss auch ganz genau, wann ich mich im Bahnhof einen Zug nähern darf um dort Insekten von der Frontseite der Lokomotive zu picken. Und dann gibt’s ja noch die vielen Restaurants mit Terrassen, wo ich mich mit allerlei Leckerbissen verwöhnen lasse, die mir die Leute zuwerfen. Ja, ja es gibt noch viele Beispiele für meine Intelligenz. Eine Sage erzählt z.B. die Ulmer hätten von den Spatzen gelernt, wie man ein langes Teil durch ein enges Tor bringt [1]. Wenn es nicht stimmt ist es zumindest gut erfunden.

Jack Sparrow aus "Pirates of Caribean"

Im 17. Jahrhundert wurde sogar mein Gesangstalent gezielt gefördert. Ja, ja ich bin schliesslich ein Singvogel. Da wurde ich zusammen mit Kanarien gehalten, damit ich ihren Gesang lerne. Das wurde dann aber irgendwann wieder aufgegeben, vermutlich weil ich immer ein Wildfang und „Zappelphilipp“ blieb. Singen kann ich aber ganz gut und es bleibt bei weitem nicht bei dem allseits bekannten „Tschilp, tschilp“. Ich kann meine Kollegen mit speziellen Rufen vor unterschiedlichen Feinden warnen, es tönt anders wenn ich vor einem Luftangriff warne oder vor einer sich anschleichenden Katze.

Im Frühjahr, zur Balzzeit, bezirze ich dann meine Angebetete mit den schönsten Tönen (nebenbei: da erblasst sogar Eros Ramazotti) und bringe ihr zudem weiche Federn, damit sie unser Nest auspolstern kann. Übrigens bleibe ich meiner Auserwählten mein Leben lang treu, nicht wie so wie viele Menschen.

Spatzengruppe am Bürkliplatz (Foto: P. Gantenbein, 2014)

Was gibt es sonst noch über mich und meine Spatzenfreunde zu erzählen? Wir sind klein, frech und furchtlos. Wer sich die Zeit nimmt und uns einmal genauer ansieht, wird auch merken, dass wir sehr schön gefärbt sind, vor allem wir Männchen kleiden uns in schönen dezenten Brauntönen. Wir haben uns vor sehr langer Zeit den Menschen angeschlossen und leben heute überall auf der Erde wo die Menschen auch das ganze Jahr über bleiben. Nur mit den Tropen haben wir uns nie angefreundet, dafür aber sind wir mit der Entwicklung des Winter- und Bergtourismus auch bis in die Alpentäler vorgedrungen.

Spatz (Foto: P. Gantenbein, 2014)

Der Mensch hat unsere Freundschaft allerdings nie sonderlich beachtet. Es gab sogar Zeiten in denen regelrecht Jagd auf uns gemacht wurde. Für Mao Zedong gehörte ich zu den 4 Plagen und für seine Kampagne „der grosse Schritt nach vorne“ hat er die Chinesen aufgefordert uns gnadenlos zu jagen [2]. So wurden dabei unsere Nester zerstört und die Chinesen machten mit Gongs und Töpfen soviel Lärm, dass die aufgeschreckten Vögel nirgends mehr landen konnten bis sie schliesslich vor Erschöpfung tot vom Himmel fielen. Nach dieser Aktion nahm dann allerdings das Ungeziefer in China dermassen überhand, dass die offensichtlich gescheiterte Kampagne 1961 beendet wurde und wir sogar zu Nützlingen erklärt wurden.

Die Europäer waren im 18. bis Mitte 19. Jahrhundert auch nicht schlauer. Auch sie hielten uns für Schädlinge und versuchten uns auszurotten, was dann im jeweiligen Gebiet immer mal wieder mit Insektenplagen endete [3].

Heute gehen die Bestände der Spatzen in Europa merklich zurück, teils weil wir zu wenig gesundes Futter finden (Fastfood ist auch für uns nicht das Wahre), teils aber auch weil wir in stark besiedelten Gebieten keine Nistmöglichkeiten mehr finden. Zudem machen uns die vielen Katzen das Leben schwer und die Tauben machen uns das Futter streitig. All das hat mittlerweile dazu geführt, dass wir auf der Vorwarnliste für bedrohte Vogelarten stehen. Tut euch einen Gefallen und tragt Sorge zu uns! Denkt zurück an die Geschichte, die ich euch erzählt habe, wenn euch das nächste Mal eine Mücke sticht!

Text: R. Gantenbein

Fotos: P. Gantenbein